Dane Jensen (Gerard Butler) ist ein Kotzbrocken, wie er im Bilderbuch steht. Als Headhunter sind ihm Zahlen wichtiger als Menschen, und weil er das Wettrennen um den Chefposten mit seiner Kollegin Lynn Vogel (Alison Brie) gewinnen will, scheut er sich auch nicht vor unlauteren Methoden. Dane, der ignorant gegenüber seiner Frau und seinen drei Kindern ist, leidet unter nerviger Gewinnmaximierung und Profilneurose. Da rutscht ihm dann auch schon mal selbstgefällig der Spruch raus: „Ich bin ein gottverdammter amerikanischer Held“. Diese Macho-Allüren sind für den Zuschauer wirklich kaum zu ertragen und man wünscht dem Karrieristen einen gehörigen Dämpfer. Der erfolgt dann auch, schneller als ihm lieb ist. Ausgerechnet sein kleiner Sohn Ryan bringt ihn zur Läuterung. Das klingt nach ganz viel amerikanischem Klischee und ist es mitunter auch.
Wobei die Überzeichnung des Charakters von Dane natürlich äußerst wichtig ist, um die Fallhöhe dieser Figur zu verdeutlichen. Das ist ein probates Mittel in Film und Literatur und führt letztendlich auch zu dem gewünschten Ergebnis: Dane ist am Ende des Films ein besserer Mensch geworden und sieht ein, dass Karriere im Gegensatz zur Familie nicht so wichtig ist. Hört man zudem den Drehbuchautoren Bill Dubuque im Interview, der selbst lange als Headhunter gearbeitet hat, so wird klar, dass die Figur des Headhunters überhaupt nicht überzogen ist, sondern dass dieses Berufsbild ohne ein spezielles Vokabular und gewisse Charaktereigenschaften nicht auskommt. Allein die Glocke, die nach jedem erfolgreichen Vertragsabschluss im Großraumbüro geläutet wird, klingt nach absolutem Klischee, scheint es aber nicht zu sein.
Während Dane also mit dem Bimmeln der Glocke und Vertragsabschlüssen beschäftigt ist, bekommt er anfänglich gar nicht mit, dass sein Sohn Ryan — phänomenal gespielt von Maxwell Jenkins — an akuter lymphatischer Leukämie (ALL) erkrankt. Glücklicherweise nimmt seine Frau Elise (Gretchen Mol) die besorgniserregenden Veränderungen ihres Sohnes wahr und bald darauf läuft das volle Chemo-Programm. Was dem Kleinen während der schlimmen Zeit hilft, ist sein größter Wunsch, die Kunsthochschule in Chicago zu besuchen, um Architekt zu werden. Für einen Zwölfjährigen zwar ein etwas ungewöhnlicher Berufswunsch, aber Ryan ist insgesamt auch ein ungewöhnliches Bürschchen. Als ältestem von drei Geschwistern obliegt ihm die Aufgabe des großen Bruders und er möchte den Vater gerne beeindrucken. Nicht zuletzt führt die Krebserkrankung dazu, dass er bereits vor der Zeit erwachsen geworden ist. So besichtigt der kleine Ryan mit seinem Vater, der nun plötzlich doch Zeit für seinen Sohn hat, denkwürdige Architektur in Chicago. Unter anderem den Jay Pritzker Pavilion, eine Konzertmuschel im Millennium Park, entworfen vom kanadisch-amerikanischen Architekten Frank Gehry. Dieser zeichnet sich für außergewöhnliche Bauten in verzerrten Formen aus und steht damit auch sinnbildlich für Dane Jensen. Das Zitat von Gehry, „Wenn alle anderen bereits am Ende sind, fange ich erst gerade an“, scheint im Film ein Lebensmotto sowohl vom Vater als auch von dessen Sohn zu sein.
Die Funktion der Architektur-Gebäude ist für die Geschichte immens wichtig, weil der Sohn dadurch dem Vater beibringt, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Dane lernt peu à peu die Schönheit der Dinge kenne oder, wie es der deutsche Titel verspricht, Das Glück des Augenblicks. Der amerikanische Titel A Family Man kann nur als ironische Verzerrung des Inhalts gedeutet werden, denn wenn Dane eines nicht ist bzw. war, dann ein Familienmensch. Das sind Dinge, die ihm bis zur Erkrankung seines Sohnes nicht in den Sinn kommen. Zu wichtig sind ihm Karriere und berufliche Erfolge.
Neben der schauspielerischen Hauptlast, die auf den Schultern von Gerard Butler liegt, finden sich in Das Glück des Augenblicks noch zwei weitere hochkarätig besetzte Nebenrollen. Zum einen die des arbeitslosen, 59-jährigen Lou (Alfred Molina), der eine ebenfalls wichtige dramatische Funktion hat, um zum Läuterungsprozess von Dane beizutragen. Zum anderen der skrupellose Boss Ed Blackridge (Willem Dafoe), der einerseits ohne Rücksicht auf Verluste seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen triezt, oder ihnen ohne mit der Wimper zu zucken kündigt. Andererseits will er „seinem inneren Kerouac frönen“ und bereitet alles vor, um die Firmenverantwortung jemand anderem zu übertragen. In seiner Brust schlagen zwei Seelen, das wird letztendlich auch Dane erfahren. Im positiven wie im negativen Sinne.
Das Glück des Augenblicks ist in vielen Bereichen ein typischer Mainstream-Film, der mit dem Krebs-Thema versucht, auf die Tränendrüse zu drücken und stellenweise hart am Kitsch vorbeigeht. Aufgrund der hochkarätigen Besetzung wird das aber vermutlich beim Publikum gut ankommen. Und auch wenn die Figur von Dane Jensen oftmals zu laut, zu überzogen dargestellt ist und die Läuterung stellenweise zu platt vonstattengeht, so macht Gerard Butler seine Arbeit doch ganz ordentlich. Für ihn hatte sich Regisseur Mark Williams — der normalerweise als Produzent tätig ist und mit diesem Film sein Regiedebut gibt — entschieden, weil er in seinen Augen eine große Bandbreite der unterschiedlichsten Emotionen darstellen kann. Von brutal bis absolut verletzlich scheint der schottische Schauspieler für ihn multifunktional einsetzbar zu sein.
Alles in allem ist der Film von Mark Williams zwar ein anständiges Regiedebüt, das aber nicht lange in Erinnerung bleiben wird. Zu schablonenhaft und unglaubwürdig sind die Charaktere gezeichnet. Vielleicht sollte Gerard Butler doch lieber bei der Darstellung von Action-Helden wie in 300 oder Olympus Has Fallen bleiben. Die scheinen ihm eher auf den Leib geschneidert zu sein.